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Pilze sind für das Funktionieren der Ökosysteme unseres Planeten unentbehrlich
Ein Fachbeitrag von Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Irmgard Greilhuber
Pilze verbringen einen großen Teil ihres Lebens im Verborgenen. Sie sind Lebensgrundlage für unzählige Organismen, haben eine enorme Bedeutung im globalen Kohlenstoff- und Nährstoffkreislauf in terrestrischen Ökosystemen, steigern als Symbionten den Ertrag bei Nutzpflanzen und vieles mehr. Ihre Vielfalt ist groß, so konnten in einem Waldboden in Frankreich in nur 4 g Bodenprobe 1000 unterschiedliche Mykorrhizapilze festgestellt werden.
Die Zersetzung der pflanzlichen Biomasse durch Pilze ist ein zentraler Prozess im Kohlenstoff- und Stickstoff-Zyklus terrestrischer Ökosysteme. Unsere Wälder sind mäßiger Sonneneinstrahlung und (noch) hohen Niederschlagsmengen ausgesetzt und die Böden arm an verfügbarem Stickstoff und Mineralien. Die Böden bestehen aus einer kohlenstoffreichen Schicht aus Streu und aus organischem Material in den darunterliegenden Humusschichten. Hier kommen die Pilze ins Spiel.
Das Myzel von Pilzen akkumuliert und verteilt den knappen Stickstoff und die Mineralien im Wald (wood-wide-web) und hat damit eine zentrale Rolle bei der Pflanzenernährung und beim Umsatz von Kohlenstoff und Stickstoff. Die sich schnell zersetzende kohlenstoffreiche Streuschicht bewohnen hauptsächlich saprotrophe Arten (Organismen, die sich vom Abbau organischer Verbindungen toter Organismen ernähren), in tieferen Bodenschichten dominieren Ektomykorrhizapilze, die für den größten Teil der Stickstoffmobilisierung verantwortlich sind.
Der durch Pilze gewonnene Kohlenstoff bleibt bis zu 45 Jahre lang in den unteren Bodenhorizonten in Form von sehr langsam abgebauten Huminstoffen, Phenolen und organischen Stickstoffverbindungen. Pilze leisten also einen wichtigen Beitrag zur Bindung von Kohlenstoff im Boden.
Symbiosen mit Pilzen
Pflanzen sind Wirte für Pilzarten, die darauf spezialisiert sind, engen Kontakt mit lebenden Pflanzenzellen herzustellen. Einige biotrophe Pilze sind Pathogene, z. B. Rost- und Brandpilze sowie Mehltaupilze. Andere Arten, wie Mykorrhizapilze, verschaffen ihren Wirten Vorteile. Die Mykorrhiza-Ernährung, wo Pilze mit den Wurzeln der Pflanze quasi zu einer gemeinsamen nährstoffaufnehmenden Struktur verschmelzen, hat sich in verschiedenen Pilzgruppen getrennt entwickelt. Die Pflanze liefert dem Pilz Kohlenstoff und Energie, und der Pilz unterstützt die Pflanzenernährung, indem er mineralische Nährstoffe aus dem Boden und aus organischen Resten bereitstellt.
Produzenten – Konsumenten – Zersetzer
Die Hauptrolle der Pilze besteht im Aufrechterhalten des Energie- und Kohlenstoffflusses sowie des Mineralien- und Nährstoffkreislaufs, vor allem im Boden. Ökosysteme können als drei miteinander verbundene Teilsysteme betrachtet werden: autotrophe Produzenten, herbi- und carnivore Konsumenten und Zersetzer. Das autotrophe Teilsystem der meisten terrestrischen Ökosysteme dominieren photosynthetische Pflanzen und Flechten. Auch hier spielen Pilze eine wichtige Rolle, denn alle bisher untersuchten Pflanzenarten enthalten Pilz-Endophyten und über 85 % Mykorrhiza-Symbiosen. Mykorrhizapilze absorbieren Wasser und mineralische Nährstoffe aus dem Boden und übernehmen Schutzfunktionen. Das Teilsystem der Konsumenten umfasst Pflanzen- und Fleischfresser. Pilze besiedeln beide Gruppen. Wie bei Pflanzen- und Fleischfressern gelangt die Biomasse dieser Pilze schließlich in das Subsystem der Zersetzer, wo sie von anderen Pilzen und Bakterien zersetzt werden. Pilze dominieren als Zersetzer in Lebensräumen, in denen der Haupteintrag lignozellulosehaltige Pflanzenreste sind. Pilze sind die Hauptakteure bei der Zersetzung des toten organischen Materials und damit für das Recycling der darin gebundenen mineralischen Nährstoffe und organischer Stoffe in terrestrischen Ökosystemen verantwortlich.
Ohne zersetzende Pilze würde das Leben auf der Erde wahrscheinlich schon nach wenigen Jahrzehnten erlöschen, da Kohlenstoff und mineralische Nährstoffe im toten Gewebe eingeschlossen wären und den autotrophen Organismen für die weitere Primärproduktion nicht zur Verfügung stünden. Die meisten Pflanzenreste werden von Pilzen zersetzt, die Lignin und Zellulose depolymerisieren können und so das Kohlendioxid der Atmosphäre wieder auffüllen. Innerhalb des Subsystems der Zersetzer produzieren Pilze zusammen mit Bakterien Humus, der mit 1600*1015 g weltweit das wichtigste Kohlenstoffreservoir in terrestrischen Ökosystemen ist.
Reiche Pilzvielfalt
Weltweit gibt es schätzungsweise 2.2 bis 3.8 Millionen Pilzarten. Damit bilden Pilze das zweitgrößte Organismenreich nach den Tieren. Pilze übertreffen die Vielfalt der Pflanzen um etwa das 6 – 10-fache.
Mit über 4.450 Großpilzarten tummelt sich eine beeindruckende Vielfalt in Österreichs Wäldern. Gut 200 Exemplare davon zählen zu den Speisepilzen.
Heimische Pilze sammeln
In Österreich ist das Sammeln von Pilzen für den Eigengebrauch mit einer Menge von 2 kg pro Person und Tag erlaubt, wenn die Waldeigentümer:innen es nicht ausdrücklich untersagen.
Beim Sammeln von Speisepilzen gibt es aber nicht nur viel zu entdecken, sondern auch einiges zu beachten.
Feuerfüßiger Gürtelfuß © C. Apschner
Hyphen des Myzels breiten sich als Geflecht im Boden aus © I. Greilhuber
Rasiger Schleimkopf © C. Apschner
Die Rolle der Pilze bei der Humusbildung
Humus besteht nicht nur aus den sich langsam zersetzenden Überresten komplexer organischer Stoffe, seine Entstehung beinhaltet auch die Synthese komplexer Moleküle auf der Grundlage von Stoffen wie Lignin. Die Bedeutung des Humus liegt in seinem Wasserhaltevermögen, seiner Fähigkeit zum Kationenaustausch und zur Stickstoffbindung und damit zur Speicherung von Nährstoffen sowie in seiner Verbesserung der Bodenstruktur.
Pilze spielen eine wichtige Rolle bei der Förderung der Bodenaggregation und der Verbesserung der Bodenstruktur. Ihre ausgedehnten Hyphennetze umschlingen nicht nur Bodenpartikel, sondern sie produzieren auch das kohlenstoff-, stickstoff- und eisenreiche Glykoprotein Glomalin, das kleine Bodenpartikel verbindet und so die Stabilität des Bodens fördert.
Die Rolle der Pilze im Kohlenstoff- und Nährstoffkreislauf
Die enorme Bedeutung der Pilze für den Kohlenstoffkreislauf in terrestrischen Ökosystemen wird deutlich, wenn man die beteiligten Mengen betrachtet. Photosynthetischer Kohlenstoff, der über Mykorrhizapilze in den Boden gelangt, versorgt die Hälfte der mikrobiellen Aktivität im Boden, die andere Hälfte stammt aus toter organischer Materie. Der Kohlenstoffpool im Boden ist dreimal so groß wie der atmosphärische und viermal so groß wie der pflanzliche. Pilzliche Prozesse sind somit ein potenzieller Kontrollpunkt im globalen Kohlenstoffkreislauf.
Und es sind die Pilze, die Nährstoffe aus lignozellulosehaltigen Substraten (z. B. Äste) freisetzen. Der Nährstoffbedarf der meisten Pflanzen wird über das Mykorrhizamyzel gedeckt, das Nährstoffe aus der Bodenlösung bindet, und manchmal direkt durch die Zersetzung von abgestorbenem Pflanzenmaterial und durch anorganisches Rohphosphat. Einige Pilze übernehmen zusätzlich zu Bakterien auch die Umwandlung von anorganischem Stickstoff, Phosphor und Schwefeloxiden.
Das durch die Mykorrhizen vielfach verbesserte Pflanzenwachstum steigert bei den Nutzpflanzen deren Ertrag beträchtlich. Die Mykorrhizen erhöhen somit die Sicherheit einer ausreichenden Versorgung mit Nahrungsmitteln und damit der Welternährung!
Fazit:
Nur die Pilze ermöglichen unsere Welt!
Daher ist es lebensnotwendig, Pilze und ihre Lebensräume zu schützen!
Zum Weiterlesen
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Quellen
Dieser Artikel ist im Naturschutzbunt Heft 3 – 2022 erschienen.
- Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Irmgard Greilhuber
Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Irmgard Greilhuber
Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Irmgard Greilhuber ist Pilzexpertin und arbeitet an der Universität Wien, Dept. für Botanik und Biodiversitätsforschung
- Artikel aus dem Naturschutzbunt Heft 3 – 2022 (PDF, 258 KB)
- Website Naturschutzbund Österreich: naturschutzbund.at
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