© 2024 Adobe Stock, doris oberfrank-list

Typisch Wald!?

Eine Vorschau auf die Wälder und Bäume von morgen

Ein Fachbeitrag von Christian Lackner

Unsere Urenkel werden in anderen Wäldern spielen als in jenen, in denen wir unsere Kindheit verbracht haben. Denn die Klimaveränderung wird dazu führen, dass Regen und Schnee weniger oft und anders verteilt über das Jahr fallen werden. Die Mitteltemperatur wird steigen. Um wissenschaftlich fundierte Aussagen über die zukünftige Entwicklung des Klimas treffen zu können, verwenden Wissenschaftler:innen Emissionsszenarien: die vier sogenannten RCP-Szenarien von optimistisch bis pessimistisch (siehe unten). Diese werden von der internationalen Klimaforschung definiert – kein Blick in die Glaskugel oder Science-Fiction, sondern faktenbasierte Arbeit.

Anhand dieser Szenarien kann eine flächendeckende Modellierung von Wäldern durchgeführt werden, die eine Charakterisierung der Standorte und eine Einschätzung der Baumarteneignung im aktuellen und zukünftigen Klima umfasst. Im Zuge des Forschungs- und Entwicklungsprojekts „Dynamische Waldtypisierung – FORSITE“ wurde das am Beispiel Steiermark, dem waldreichsten Bundesland Österreichs, schon umgesetzt.

Auf nach Fürstenfeld

Im Zuge des Klimawandels kommt es durch die Änderung der thermischen Verhältnisse zu einem starken Wandel der Baumartenzusammensetzung und der Standorte der unterschiedlichen Waldtypen. Für die Steiermark wird bei einer Temperaturerhöhung um 1 °C eine Verschiebung der Höhenstufen um etwa 200 Meter erwartet. Welche Auswirkungen das mit sich bringt, lässt sich anhand der Betrachtung eines Eichen-Hainbuchen-Waldes nördlich von Fürstenfeld auf 300 Meter Seehöhe verdeutlichen. Dieser Waldtyp deckt mehr als 10 Prozent der Waldfläche in der Steiermark ab. Der Boden weist hier eine mittlere Nährstoffversorgung auf und ist gut wasserversorgt.

Wie sich der Wald verändert, lässt sich mit Modellrechnern vorhersagen: Im mäßigen Klimawandelszenario (RCP4.5) wird sich bis zum Jahr 2100 die Jahresmitteltemperatur in dieser Gegend um etwa 1.6 °C erhöhen und der Standort entwickelt sich zu einem kollinen (d. h. unterste Höhenlage bis etwa 500 Meter), mäßig warmen Laubwald mit der Waldgruppe Balkaneichen – Hainbuchen. Im Falle des obersten pessimistischen Szenarios (RCP8.5) wird mit einem mittleren Anstieg der Temperatur von etwa 4 °C gerechnet und künftig eine (sub-)mediterrane, sehr warme Laubwaldzone mit mediterranen Eichenarten zur erwarten sein.

Die Konsequenz daraus: Die aktuell dort noch weit verbreiteten Fichtenbestände werden Ende des 21. Jahrhunderts in beiden Szenarien nicht mehr vorhanden sein. Neben bereits heute geeigneten Baumarten wie Buche, Hainbuche, Winterlinde, Spitzahorn, Edelkastanie sowie Stiel- und Traubeneiche werden insbesondere Walnuss, Balkaneiche, Zerreiche und Flaumeiche eine gewichtige Rolle spielen. Unsere Urenkel werden künftig mehr Maroni in den Wäldern finden.

Nicht nur das Erscheinungsbild der Wälder wird sich ändern, auch die Tiere im Wald müssen sich auf neue Umweltbedingungen einstellen. Gewisse Arten, wie beispielsweise der Alpenbock, sind an gewisse Baumarten gebunden; die Ankunft des Kuckucks wiederum ist exakt auf den temperaturbedingten Vegetationsbeginn im Frühjahr abgestimmt.

 

Wie sieht der ideale klimafitte Wald aus?

Die Baumartenzusammensetzung wird sich in Zukunft verändern, mit oder ohne menschliche Eingriffe. Da wir auf die Ökosystemleistungen des Waldes angewiesen sind, müssen wir diese Entwicklung lenken, um den Wald in Zukunft gesund und leistungsfähig zu erhalten.

Dazu lassen sich drei Strategien ausmachen:

1. Die erste zielt auf die Erhaltung und Vitalisierung der derzeitigen Waldgesellschaften ab. Zum Beispiel tragen rechtzeitige Pflegemaßnahmen und stärkere Durchforstungen dazu bei, dass Einzelbäume stabiler werden und nicht mehr so leicht von Stürmen umgeworfen oder von Schnee gebrochen werden können. Im Zuge dieser „unterstützten Wanderung – Assisted Migration“ kommen Samenherkünfte aus anderen Regionen wie etwa vom Balkan zum Einsatz.

2. In einer zweiten Strategie wird die Waldanpassung gefördert, indem andere heimische Baumarten an durch den Klimawandel veränderten Standorten gepflanzt werden. Statt Fichte eignen sich zum Beispiel Tanne und Kiefer, als Ersatz für Buche die weitaus trockenresistenteren Baumarten Eiche und Elsbeere. Wichtig ist dabei die Mischung verschiedener Baumarten, dies senkt das Risiko, falls eine Art ausfällt.

3. In einigen Regionen Österreichs, insbesondere im sommerwarmen Osten, geraten viele heimische Baumarten allerdings an ihre Grenzen. Hier kann mit der dritten Strategie auf derzeit nicht heimische Baumarten zurückgegriffen werden.

Wie sieht die Zukunft des Waldes aus?

Der Wald ist ist durch die Klimakrise existenziell bedroht und es bedarf großer Anstrengungen, ihn fit für ein sich änderndes Klima und die Zukunft zu machen. Dabei können der Wald und seine Nutzung einen wichtigen Beitrag zur Lösung dieses Problems beitragen.

Die Zukunft des Waldes

DER WALD – Unsere Chance für die Zukunft

Der Wald ist speziell für die Zukunft Österreichs eine besondere Chance, die es zu nutzen gilt. Durch die Verwendung von Holz als Baumaterial, Rohstoff und Energieträger kann der Wald wesentlich zur CO₂-Einsparung beitragen und somit einen wichtigen Beitrag zur angestrebten Klimaneutralität leisten.

Der Wald – Unsere Chance für die Zukunft

© 2024 Adobe Stock, Jag_cz

© 2024 Adobe Stock, nidafoto

© 2024 Adobe Stock, ON-Photography

RCP-Szenarien – Klimamodellprojektionen des Weltklimarates
Als RCP-Szenarien werden bespielhafte Pfade von Treibhausgasemissionen bezeichnet, anhand derer der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) unterschiedliche Annahmen zur Veränderung der CO₂-Konzentration in der Atmosphäre in den Jahren von 1850 bis 2100 vergleicht. RCP steht als Abkürzung für Repräsentativer Konzentrationspfad (representative concentration pathway).

Es werden vier Szenarien beschrieben, die – je nach Einfluss des Menschen auf die Energiebilanz – unterschiedliche Möglichkeiten der Veränderungen darstellen. Die RCP umfassen ein sogenanntes stringentes Minderungsszenario (RCP2.6, unterstes optimistisches Szenario, die globale Erwärmung kann unter 2 °C im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter gehalten werden), zwei mittlere pessimistische Szenarien (RCP4.5 und RCP6.0) und ein Szenario, das von sehr hohen Emissionen ausgeht (RCP8.5, oberstes pessimistisches Szenario).

Alle Szenarien gehen von einem Anstieg der mittleren globalen Oberflächentemperatur bis 2100 aus: Für RCP2.6 liegt dieser zwischen 0.3 und 1.7 °C, für RCP4.5 zwischen 1.1 und 2.6 °C, für RCP6.0 zwischen 1.4 und 3.1 °C und für RCP8.5 zwischen 2.6 und 4.8 °C.

Quelle und weitere Details: Klimaänderung 2023, Synthesebericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC), online unter: www.ipcc.ch/report/ar6/syr/

Bewirtschaftete Wälder sind besser für den Klimaschutz

Bei Betrachtung der Auswirkungen der Klimaerwärmung ist zu beachten, dass der Wald einerseits Betroffener ist, andererseits das Potenzial hat, den fortschreitenden negativen Veränderungen entgegenzuwirken. Wald und vor allem Holzprodukte spielen bei der Stabilisierung des Klimawandels eine bedeutende Rolle, indem sie langfristig den Kohlenstoff binden und fossile Rohstoffe ersetzen können.

Bei der Diskussion um die CO₂-Speicherleistung des Waldes wird oftmals nur der Einzelbaum betrachtet. Das entspricht jedoch nicht der Realität. Richtigerweise müssen ganze Bestände betrachtet werden, denn je älter ein Bestand ist, desto weniger Bäume haben Platz und desto weniger Kohlenstoff kann je Hektar gebunden werden. Darüber hinaus steigt in alten, vorratsreichen Wäldern die Gefahr von Kalamitäten sehr stark an. Häufig wird bei der Forderung nach Außernutzungstellung außer Acht gelassen, welche Bedeutung die natürliche Konkurrenz für die Vorrats- und Zuwachsentwicklung und somit für die Kohlenstoffspeicherung hat.

Eine Studie von Hans Pretzsch¹ unter Mitwirkung des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) zeigte erstmals, dass in unbewirtschafteten Waldbeständen 30 bis 40 Prozent der gesamten Holzproduktion durch konkurrenzbedingte Mortalität an die Totholzfraktion verloren gehen.

 

Woher kommen die Daten zum Wald?

Basis aller Aussagen zur historischen Entwicklung, zum Zustand und zur zukünftigen Veränderung der Wälder ist eine möglichst genaue Erhebung und Dokumentation. Ein konkretes Bild des Waldes in Zahlen liefert die sogenannte Waldinventur. Sie wird seit 1961 durchgeführt und ist die größte Untersuchung des österreichischen Waldes. Dafür nehmen Expert:innen auf mehr als 11.000 Probeflächen Erhebungen vor. Mit der aktuellen Waldinventur 2016/21 liegen bereits Daten aus der achten Periode vor.

Darüber hinaus kommen modernste Techniken wie Satellitenbilder und Drohnenaufnahmen zum Einsatz. Die Waldbesitzer:innen sind zusätzlich zur „typischen“ Erscheinung bei ihrer forstwirtschaftlichen Arbeit im Wald neben Lodenmantel und Jagdhund vor allem auch mit Mobiltelefon und Tablet ausgestattet. Die Digitalisierung hat also Einzug gehalten im Wald.

Am nachhaltigen Umgang unserer Generation wird sich maßgeblich entscheiden, ob unsere Urenkel beim Maroniklauben den Ruf des Kuckucks öfter live aus dem Wald oder als Klingelton eines Handys vernehmen werden.

Dynamische Waldtypisierung – FORSITE
Im Rahmen des Projekts FORSITE wurden, basierend auf den Erhebungen der Standorteigenschaften und unter Berücksichtigung der veränderlichen Klimabedingungen, Waldstandorte flächendeckend modelliert und als Waldkartentypen dargestellt. Diese zeigen unter anderem, mit welchen Veränderungen im Rahmen des Klimawandels für diese Standorte zu rechnen ist. Ziel war es, ein praxistaugliches Instrument für Waldbesitzer:innen als Entscheidungsgrundlage für eine klimafitte Waldbewirtschaftung und eine zukunftsfähige Baumartenwahl zur Verfügung zu stellen.

Anhand des dabei entstandenen waldbaulichen Beratungstools können die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf den steirischen Wald für die nächsten achtzig Jahre digital abgerufen werden. Es umfasst eine
Vielzahl von Themenkarten zu Baumarteneignung, Klima und Klimawandel sowie zu Standort- und Bodeneigenschaften: www.waldtypisierung.steiermark.at, www.waldbauberater.at

Waldinventur
Die Österreichische Waldinventur (ÖWI) ist ein Großraummonitoring des österreichischen Waldes mit dem Ziel, Informationen zu den Ressourcen des Rohstoffs Holz und über Zustand und Veränderung des Ökosystems Wald zu liefern. Geplant, durchgeführt und ausgewertet wird die ÖWI vom gleichnamigen Institut des Bundesforschungszentrums für Wald. Die Ergebnisse dienen als Entscheidungsgrundlage
für die österreichische Wald- und Umweltpolitik.
www.waldinventur.at

ZUKUNFTS-TIPP! Neue Baumartenampel des BFW
Was ist die Klimakrise?
Europas Wälder im Krisenmodus

Zum Nachlesen

Quellen

  • proHolz Austria / zuschnitt 91 (Zeitschrift über Holz als Werkstoff und Werke in Holz, Dezember 2023 Nr. 91
  • Christian Lackner ist Leiter des Fachbereichs Kommunikation und Wissensvermittlung am Bundesforschungszentrum für Wald.

¹ Hans Pretzsch et al.: Competition-based mortality and tree losses. An essential component of net primary productivity, in: Forest Economy and Management, Nr. 544/2023.

Rechte & Produktion

© 2024 Christian Lackner und waldgeschichten.com  –  Die österreichischen Familienwaldbetriebe & Österreichischer Forstverein  –  Unterstützt durch den Holzinformationsfonds der Landwirtschaftskammer Österreich.

Redaktion

Wir haben sorgfältig recherchiert und Informationen zusammengetragen. Wenn ihnen dennoch etwas auffällt, was sie ändern würden oder etwas zu ergänzen wäre, bitten wir sie, Kontakt mit uns aufzunehmen. Wir freuen uns über ihre Rückmeldung und Anregungen.

redaktion@waldgeschichten.com