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Waldbiodiversität – Holznutzung fördert auch die Artenvielfalt

Ein Fachbeitrag von DI Stephan Philipp, Fachbereichsleiter für Waldökologie und Forstplanung

Neben der Klimakrise wird auch die Biodiversitätskrise immer mehr ins Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit gerückt. Das globale Artensterben ist dramatisch und viele sterben aus, bevor sie je entdeckt wurden. Neben der Verantwortung für die Schöpfung ist es aber auch in unserem eigenen Interesse die Vielfalt des Lebens zu bewahren. Sie ist wichtig für die Anpassungsfähigkeit der Ökosysteme an Störungen und den Klimawandel, sie ist ein reicher Schatz an Lebens- wie Arzneimitteln und wichtig für die menschliche Gesundheit. Insbesondere die Bergwälder in unserem Raum sind Heimat vieler seltener und spezialisierter Arten, weshalb den Waldbewirtschaftern hier auch eine besondere Verantwortung zukommt.

Holznutzung vs. Naturschutz

Es ist gut erklärbar, dass die Nutzung des Holzes die Waldfunktionen fördert. Ein Urwald kann von Erholungssuchenden nicht betreten werden, liefert kein Holz und ist zumindest zeitweise in seiner Schutzfunktion eingeschränkt, wenn er in Zerfallsphasen kommt. Auch die Wohlfahrtsfunktion kann man durch gezielte Baumartenmischung und Pflegeeingriffe fördern. Beim Thema Naturschutz aber sieht ein Teil der Bevölkerung das Fällen von Bäumen als großen Frevel. Die Forderung nach Nutzungsverzicht und Stilllegungen werden vielfach erhoben.

Oft werden hier bewusst falsche Bilder gezeichnet und die Waldwirtschaft bei uns mit den brennenden Regenwäldern in Brasilien oder großen Kahlschlagsflächen in Nadelholzplantagen in Verbindung gebracht. Wer jedoch mit offenen Augen durch unser Land geht, sieht ganz andere Bilder wie zum Beispiel artenreiche Mischwälder oder unsere schönen Plenterwälder. Wenn man diese zeigt, denken die meisten Menschen sie wären in einem Urwald, obwohl die Bestände seit Jahrhunderten bewirtschaftet sind.

 

Was ist Biodiversität?

Wichtig ist in der Debatte zuerst einmal zu definieren worüber man spricht. Biodiversität hat mehrere Ebenen. Die Ebene der Ökosysteme, also z.B. die Zahl der unterschiedlichen Waldgesellschaften in einer Region. Dann die Zahl der verschiedenen Arten, also z.B. welche verschiedenen Bäume wachsen dort. Dann die innerartliche Ebene, also die Vielfalt der Gene. So kann eine Monokultur auf genetischer Ebene eine hohe Diversität aufweisen. Und die letzte Ebene liegt in den Funktionalen Beziehung zwischen Arten, also wie einzelne Bäume, Insekten, Pilze etc. in Wechselwirkung stehen.

Die meisten Menschen denken nur auf der Artebene und interessieren sich hier besonders für sogenannte „sexy species“. Dieser Begriff stammt aus dem Naturschutz und erklärt, weshalb man lieber für Pandabären spendet als für Schleimpilze oder Spinnen.

 

Forstwirtschaft pro und contra

Was ist jetzt aber die Rolle der Forstwirtschaft? Sie wird seit Jahrhunderten ausgeübt und hat eigentlich keine großen Probleme verursacht – zumindest in Vorarlberg. Auch bei uns gibt es Fichtenmonokulturen, manchmal v.a. kalamitätsbedingt größere Schläge oder eine Befahrung des Bodens außerhalb von Rückegassen, die Bodenschäden zur Folge hat. Das ist aber die Ausnahme und bezogen auf die Ebenen der Biodiversität ist keine einzige natürliche Waldgesellschaft verschwunden. Manche sind selten geworden, wie z.B. der Silberweidenauwald, was aber an der Begradigung von Flüssen und Rodung der Flächen liegt. Keine Baumart ist durch die Forstwirtschaft ausgestorben – ganz im Gegenteil. Es wurden manche Gastbaumart in unsere durch die Eiszeit sehr verarmten Wälder eingebracht, um deren Stärken im Klimawandel zu nützen. Und auch hinsichtlich des Genpools haben wir eine große Vielfalt. Es geht es aber auch um die anderen Lebewesen im Wald, also Tiere, Pflanzen, Pilze und andere Mikroorganismen. Wie sieht es hier aus?

Verglichen mit dem Offenland sehr gut aber natürlich ist nicht Holzernte ausnahmslos gut, sondern sie muss so erfolgen wie sie in Vorarlberg seit Generationen ausgeübt wird – kleinflächig und nachhaltig. Der Plenterwald ist hier ein Paradebeispiel. Er schafft zahlreiche ökologische Nischen, in ihm finden sich alte dicke Bäume und im besten Fall auch eine ausreichende Menge Totholz.

Waldbiodiversität & Holznutzung

In Österreich fördert die nachhaltige Forstwirtschaft maßgeblich die Waldbiodiversität. Durch strategische Holznutzung, wie sie seit Generationen praktiziert wird, entstehen vielfältige Lebensräume, welche die Artenvielfalt unterstützen. Ohne gezielte Bewirtschaftung würde die Artenvielfalt erheblich abnehmen.

Insbesondere lichte Wälder, die durch selektive Holzernte entstehen, bieten Lebensraum und Nahrungsgrundlage für viele Pflanzen- und Tierarten. Das Prinzip der Nachhaltigkeit – mehr Holz nachwachsen zu lassen als geerntet wird – gewährleistet langfristig ein gesundes Waldökosystem. Diese ausgewogene Bewirtschaftung integriert ökologische und ökonomische Aspekte und trägt wesentlich zur Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt bei.

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© 2024 Land Vorarlberg, Abteilung Forstwesen, Stephan Philipp

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Bild 1: Waldameisen erfüllen wichtige Aufgaben im Ökosystem. Ihre Bauten müssen bei der Holzernte geschützt werden. Sie sollten auch niemals komplett zuwachsen. Mit wenig Aufwand kann man hier viel Gutes bewirken.

Bild 2: Holzernte schafft Lichtschächte in welchen junge Bäume nachwachsen und lichtliebende krautige Pflanzen sowie Insekten ein temporäres Habitat finden. (Bildrecht: Land Vorarlberg, Abteilung Forstwesen; Stephan Philip)

Bild 3: Unsere Bergwälder sind ein wichtiger Lebensraum. Eine multifunktionale Bewirtschaftung muss alle dort vorkommenden Lebewesen berücksichtigen. Das heißt aber nicht, dass man die Käseglocke über den Wald stülpt. (Bildrecht: Land Vorarlberg, Abteilung Forstwesen; Stephan Philip

Biodiversität in der Vorarlberger Waldstrategie 2030+

Die Waldstrategie 2030+ des Landes Vorarlberg enthält als Ziel die Förderung der biologischen Vielfalt. Hierzu werden bereits zahlreiche Projekte und Maßnahmen umgesetzt. Sehr wichtige Strukturen sind z.B. Waldränder. Hier kann man mit wenig Aufwand viel tun, um vor allem Insekten und Kleinlebewesen zu fördern. Man kann Sträucher setzen die mit ihren Beeren Winternahrung für Vögel bieten. Besonnte Kleinstrukturen wie Steinhaufen helfen Reptilien. Seltene Baumarten wie der Wildapfel oder Speierling bieten in der Blüte Nahrung für Bienen und später für das Schalenwild.

Wichtig im Waldnaturschutz ist es auch, bestimmte Schirmarten im Blick zu haben. Ein Projekt das von mehreren Akteuren im Land Vorarlberg durchgeführt wurde widmete sich dem Auerhuhn. Es profitiert von einer zielgerichteten Holzernte, da dunkle zugewachsene Wälder kein geeigneter Lebensraum sind. Auch Forstwege kommen ihm daher zu Gute, wenn diese nicht in ausgewiesene in Ruhegebiete führen. Daher werden alle Projekte genau geprüft und solche Aspekte mit einbezogen. Wege sind auch grundsätzlich eher förderlich für die Biodiversität, wie auch eine Studie der Österreichischen Bundesforste aufgezeigt hat. Dies liegt an den Lichtschächten und Waldrandeffekten an den Böschungen.

Sehr wichtig für zahlreiche Lebewesen ist eine ausreichende Totholzmenge in den Wäldern. Sofern es nicht problematisch hinsichtlich Waldbrand, Borkenkäfer oder Wanderern ist, können alte zusammenbrechende Bäume gerne stehen bleiben.

Auf größerer Ebene ist die Biotopvernetzung wichtig. Arten sollten zwischen verschiedenen Lebensräumen wandern können, damit sie nicht genetisch verarmen. Diese Vernetzung erfolgt über sogenannte Trittsteinbiotope und abwechslungsreiche Waldstrukturen. Hierfür gibt es spezielle Förderprogramme des Bundesamts für Wald BFW.

Zu guter Letzt ist es auch für die Forschung und manche Arten wichtig, dass es auch unbewirtschaftete Flächen gibt. Dies wird z.B. mit Naturwaldreservaten und österreichweit auch mit sechs Nationalparken sichergestellt.

Unterm Strich muss man sagen, dass die Forstwirtschaft in Vorarlberg einen sehr positiven Beitrag zur Biodiversität leistet. Sie hat keine Probleme verursacht, sondern viele Arten und Lebensräume bewahrt. Gerade auch die kleinteilige Besitzstruktur sowie eine Vielfalt der Bewirtschaftungsformen- und Intensitäten schaffen viele Nischen. Wenn verstärkt auf spezielle Arten geachtet wird, die mit einfachen Maßnahmen gefördert werden können und neue wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis transferiert werden, kann mit einer verantwortungsvollen Bewirtschaftung die Anpassung der Wälder an Klimaveränderungen gelingen.

 

Factbox Waldbiodiversität

 

Forstliche Maßnahme Nutzen
Jungbestandspflege Erhalt von seltenen Mischbaumarten
Pflanzung/Saat Einbringen von Mischbaumarten; Erhöhung der genetischen Vielfalt
Forstwegebau Schaffung von Waldinnenrändern an den Böschungen, begünstigt z.B. Schmetterlinge und lichtbedürfige Bäume und Sträucher
Holzernte Lichtschächte schaffen günstiges Kleinklima; es entsteht eine horizontale und vertikale Strukturvielfalt
Waldrandpflege Hotspot der Biodiversität; Förderung seltener Arten, zahlreiche Mikrohabitate
Verzicht auf einzelne Stämme Stehendes Totholz ist wichtig für die Biotopvernetzung und ein artenreicher Lebensraum sowie eine wichtige Nahrungsgrundlage
Erhalt alter Bäume Förderung von Vögeln, Fledermäusen, Moosen und Flechten
Erhöhung des Totholzanteils Begünstigt zahlreiche Pilz- und Insektenarten
Erhalt/Schaffung von Sonderstrukturen z.B. Tümpel für Gelbbauchunke, Steinhaufen am Waldrand für Eidechsen, Mulmhöhlen für Insekten
Aufgelichtete Wälder – ein Hort der Artenvielfalt
Artenvielfalt an der Forststraße
Mit nachhaltiger Waldbewirtschaftung Artenvielfalt fördern

Zum Nachlesen

Quellen

  • DI Stephan Philipp, Fachbereichsleiter für Waldökologie und Forstplanung

Rechte & Produktion

© 2024 DI Stephan Philipp und waldgeschichten.com  –  Die österreichischen Familienwaldbetriebe & Österreichischer Forstverein  –  Unterstützt durch den Holzinformationsfonds der Landwirtschaftskammer Österreich.

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